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Vorkontrollen: Mehr Schein als Sein…?

20. Juli 2011

Mit Genehmigung der Autorin: Martina Wald (Hundehilfe Eifel, im Januar 2010)

Als ich 1977 nach langer Überzeugungsarbeit und ebenso langer privater Betreuung so mancher Nachbarshunde von meinen Eltern die Zusage für einen eigenen Hund bekam, war ich überglücklich. Wir fuhren in das nächstgelegene städtische Tierheim und stellten fest, dass wir auf das, was uns erwartete, in keinster Weise vorbereitet waren.

Damals hatte Tierschutz noch einen ganz anderen Stellenwert in der Gesellschaft: Wohin man sah war es dreckig, nass und verkotet. Tierhaltung ist – keine Frage – nicht immer klinisch rein, aber dies hier war einfach nur erschreckend. Die Hunde standen diesem ersten Eindruck in Nichts nach. Sie fristeten ihr Dasein in überfüllten Zwingern, begleitet von ohrenbetäubendem Gebell. Neben flehenden Blicken, einer Vielzahl völlig verängstigter und sich selbst aufgebender Hunde in den hintersten Ecken waren Mobbing und Beißereien unter den Hunden an der Tagesordnung und somit Normalzustand.

Informationen, abseits vom bekannten oder geschätzten Alter des einzelnen Hundes hinaus, gab es keine. Wir gingen durch die Zwingergänge, erschüttert und dennoch entschlossen, wenigstens einen Hund dort herauszuholen. Wir sahen Timmy, einen schwarzen mittelgroßen „Irgendetwas-Mix“. Laut Tierheimpersonal ein Fundtier, Einschätzungen zum Hund lagen nicht vor. Wir sagten „den möchten wir gerne“, daraufhin wurde er angeleint, wir gingen samt Hund schnurstraks ins Tierheimbüro, füllten einen Vertrag aus, und bezahlten. Nun durften wir Timmy sofort mitnehmen – ohne persönliches Gespräch zwecks Einschätzung unserer Hundeerfahrung, ohne Vorkontrolle, ohne Nachkontrolle.

Anspruch & Wirklichkeit

Man sollte meinen, dass über 30 Jahre später solche Vermittlungsabläufe längst ihr Ende gefunden haben. Man sagt, dass man „erfahren“ ist, hinterlässt einen „netten“ Eindruck, legt das Geld auf den Tisch und fährt mit Hund wieder nach Hause. Familienzuwachs im Schnelldurchlauf…

Kaum ein Tierschutzverein, der heute nicht auf seiner Internetseite mit einer Vorkontrolle wirbt als Zeichen seiner Seriosität, ganz dem Wohle des Hundes verpflichtet. Doch was genau ist eigentlich eine Vorkontrolle? Die deutsche Sprache versteht sich leider nicht von selbst; sie unterliegt einer Interpretation, dazu in aller Regel auch noch einer subjektiven … jeder versteht unter Vorkontrolle offensichtlich etwas höchst Eigenes. Der Zweck, den eine Vorkontrolle erfüllen soll, variiert je nach Tierschutzverein bzw. dem zuständigen Vermittler und dessen Ansprüche an eine seriöse Vermittlung, welche allen Seiten – Tierschutz/Hund/neuer Halter – gleichermaßen gerecht werden soll(te).

Vorkontrolle – schon die Bezeichnung ist ein spöttisches Wortspiel, denn „kontrolliert“ werden will eigentlich niemand. Der Begriff an sich assoziiert eher etwas Negatives, was so manchen Interessenten zurückschrecken bzw. ihn eine „was-fällt-denen-denn-ein? Ich-hatte-schließlich-schon-immer-Hunde“- Haltung einnehmen lässt. So wird dann schnell aus einer Vorkontrolle ein Beschwichtigungsversuch à la „Nein, nein … wir wollen nur einfach mal vorbei schauen und uns vergewissern, dass alles in Ordnung ist.“

Eine Vorkontrolle im eigentlichen Sinne und um dem Zweck zu dienen, dessen sie überhaupt ein Werkzeug des Tierschutzes geworden ist, beinhaltet aber genau das: eine KONTROLLE von harten und weichen Fakten; von Wohnverhältnissen einerseits und einer sachkundigen Einschätzung der (Hunde)-Erfahrung des Halters andererseits. Letzteres wiederum lässt sich weitestgehend nur dann verlässlich vornehmen, wenn man die Erfahrungen der Halter mit dem Wesen/Charakter/ Verhalten/Triebveranlagung des auserkorenen Hundes abgleichen kann. Welche bestimmten Erfahrungen bringt HALTER A für HUND B mit? Und nicht… hat er Erfahrungen MIT HUNDEN? [Das wäre so, als würde man in ein Schuhgeschäft gehen und nach Schuhen fragen, ohne angeben zu wollen, für welchen Anlass. Turnschuhe sind eine prima Sache, aber eben nicht für den Besuch einer Oper.]

Um verlässlich das „Gesamtpaket“ (Erfahrungen/Fähigkeiten der Halter nebst vorhandenen Umwelt-/Alltagseinflüssen) beurteilen zu können, muss man diese vor dem Hintergrund einer entsprechenden Ausgangslage (hier: des zu vermittelnden Hundes, nicht IRGENDEINES Hundes) sehen. Ansonsten bliebe nur die Möglichkeit einer Pauschalbeurteilung der Halter, was wiederum keine zuverlässige Aussage über die Eignung für einen INDIVIDUELLEN, aber „unbekannten“ Hund zulässt.

Eine Vorkontrolle sollte nicht „irgendetwas“ sein und zum pflichtgetreuen Alibi verkommen. Sie stellt vorrangig die PFLICHT des Vermittlers/des Tierschutzvereins in den Vordergrund, im Zeitpunkt der Vermittlung mehr wissen „zu müssen“ als der Interessent selbst – speziell hinsichtlich des zu vermittelnden Hundes einerseits und der für DIESEN Hund benötigten Kenntnis über Hundeverhalten/Hundesprache/“Problemzonen“ (je nachdem, welche Anforderungen der zu vermittelnde Hund stellt) andererseits. Denn wer letztendlich darüber entscheidet, wohin ein Hund geht und auf dessen Angaben sich ein Interessent auch verlässt (und sich auch mit gutem Gewissen verlassen können muss…), kann sich dieser Verantwortung nicht mit Halbwissen oder naiver Tierliebe entziehen.

(Vor-)Kontrolle bedeutet auch, Ereignisse bzw. Entwicklungen tendenziell voraussehen zu können oder auch bereits eingetretene Entwicklungen erklären zu können. Spätestens daran scheitern die meisten Vorkontrollen heutzutage…

Verantwortung ohne Wissensfundament

Jeder „Job“ setzt Erfahrung voraus, meistens sogar eine Ausbildung, egal in welcher Form und von welcher Dauer. Jedoch… Vorkontrollen kann jeder übernehmen. Jeder, der gerade Zeit hat und sich „anbietet“. Je nach Notlage des vermittelnden Vereins („wer kann für uns DRINGEND eine VK in XY übernehmen… haben immer noch niemanden gefunden und der Hund kann morgen schon fliegen…“) wird demzufolge auch „jeder“ genommen. Bietet man sich zur Vorkontrolle an und erwähnt, dass man selber schon immer Hunde hatte, stirbt bereits hier jede gesunde Skepsis seitens der meisten Tierschutzvereine. Da wird flugs ein bei der Vorkontrolle abzuarbeitender Fragebogen an die Hand gegeben und schon geht´s los. Antworten werden stupide und ohne sachkundige Interpretation oder Nachfrage notiert – die Vorgehensweise lässt oftmals an eine dieser Telefonumfragen erinnern: „Haben Sie bereits Hundeerfahrung? Ja oder Nein? Würden Sie einen Hund abgeben, wenn er Probleme bereitet? Ja oder Nein?“. Standardwerke ohne „Seele“… ohne Kenntnis-Tiefgang. Aber… man kann stolz verkünden: Vorkontrolle durchgeführt – Ergebnis: selbstverständlich wunderbar!

Manche Vorkontrolle birgt das unfreiwillige Potenzial einer lustigen Klassenfahrt: wenig Lebenserfahrung, zweifelhafte Naivität gepaart mit dem Willen, die Welt zu verändern. Ohne Substanz, ohne Objektivität, ohne Pragmatismus. Die Feierlichkeiten beginnen mit dem leckeren Kaffee und hören beim lustigen Schwank aus der Jugend auf. Der eigentliche „Job“, DIESE Interessenten vorbehaltlos und objektiv (egal, ob sehr sympathisch oder nicht) in Bezug auf DIESEN Hund einzuschätzen, bleibt auf der Strecke. Aber scheen war´s…

Ganz traditionell geht´s dann auch weiter… keine Seltenheit, dass das Ergebnis einer Vorkontrolle mit kurzen, inhaltslosen Halbsätzen an den Vermittler weitergeleitet wird: „war alles in Ordnung… nette Leute“. Und es gibt genug Vermittler, die mit 6 Worten mehr als zufrieden sind: das Alibi – es lebe hoch!

Seriöse Vorkontrolleure nehmen in dieser Hinsicht auch heute noch immer eine Vorreiter-Position ein. Fragen sie gezielt auf die Anfrage nach einer Vorkontrolle beim Vermittler nach, welche Informationen a) bereits über den Interessenten vorliegen und b) welche Anforderungen der zu vermittelnde Hund stellt bzw. wie dieser vom Verein eingeschätzt wird, dann hört man schon einmal ganz schnell: „Wieso wollen Sie das wissen…? Sie sollen doch einfach nur schauen, ob diese Leute o.K. sind!“. Kein Wort zum Hund… was in den meisten Fällen auch nicht wirklich überrascht, denn diesen kennen die Vermittler oftmals gar nicht; die Pflegestellen (sofern der Hund überhaupt auf einer solchen ist – meistens weilt er noch im Ausland oder beim derzeitigen Halter, der ihn möglichst gestern schon loswerden wollte…) halten sich bedeckt oder dürfen mitunter keine Auskunft geben oder sie sind selbst nicht in der Lage, den Hund adäquat einzuschätzen.

Manche erfahrene Vorkontrolleure mit dem Anspruch, diese Aufgabe (gemessen an der Tragweite der Verantwortung für Hund und Halter in spe) auch zweckdienlich zu erfüllen, werden unter der Hand – bereits namentlich stigmatisiert – innerhalb der Vereine „weitergereicht“ („Frag bloß nicht den/die, der ist immer so kritisch und empfiehlt zu oft, keinen Hund dorthin zu vermitteln…“). Man sucht also mitunter ganz gezielt nach jemanden, der die Vorkontrolle quasi durchwinkt, damit man mit „gutem Gewissen“ möglichst zügig einen Hund vermitteln kann. Die Qualität und damit das Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Hund und letztendlich auch dem Halter in spe bleiben auf der Strecke. Leider, leider… werden Vermittlungen, die zwangsläufig im Nachhinein aufgrund unsorgfältiger Vorkontrollen scheitern/scheitern müssen, nicht öffentlich. Kommt ein Hund in die Vermittlung zurück und wird dieser Umstand tatsächlich explizit erwähnt (was immer noch die Ausnahme ist…), liegt es selbstverständlich an den „unfähigen“ Haltern, die sich einfach keine Mühe gegeben haben. Tatsächlich? Ob sich diese Halter wirklich für DIESEN Hund entschieden hätten, hätte man ihnen im Rahmen der Vorgespräche und letztendlich der Vorkontrolle als alles entscheidende Instanz zeigen können, was DIESER Hund an Erfahrung voraussetzt….? Oder wenn man Sätze der Halter à la „doch, doch, das schaffen wir schon…“ mit etwas mehr Hundesachverstand und –erfahrung kritischer hinterfragt und ggf. sogar von einer Vermittlung Abstand genommen hätte…?

Echte Vorreiter haben aber – wie so oft im Leben – immer mit Spöttern zu kämpfen, oder Vorurteilen, oder, oder… Die Zahl der zunehmenden Fehlvermittlungen, Rückläufern, Umplatzierung von Hunden von Pflegestelle zu Pflegestelle, Rücktransport (z.B. von Auslandshunden in ihr Heimatland als letzte, als ultimative Möglichkeit für so manchen Verein), spricht aber eine andere, sehr deutliche Sprache. Es hat mitnichten etwas mit einem Anspruch auf Perfektion zu tun, wenn sich seriöse Tierschutzvereine, Vermittler und Vorkontrolleure dafür aussprechen, wohlwollend aber kritisch das Werkzeug der Vorkontrolle zu nutzen. Es ist niemanden damit gedient, einen „unpassenden“ Hund in eine „nette“ Familie zu vermitteln an dessen Ende beide Parteien überfordert und unglücklich sind. Eine richtige Partnerschaft muss „passen“ oder man muss dazu lernen, damit sie „passt“. Dieses Dazulernen muss aber realistischerweise auch möglich sein und nicht an bereits erkennbaren Umständen scheitern. Um sich dann vereinsseitig mit einer achselzuckenden Feststellung „… hätte ja auch klappen können, wenn…“ herauszureden.

Da scheitern Vermittlungen, die bereits im Vorfeld zum Scheitern verurteilt waren… und niemand hat es kommen sehen: nicht der Vermittler, nicht der Vorkontrolleur, nicht der Halter selbst, obwohl…

Der Halter gerade arbeitslos ist, gegenwärtig viel Zeit für einen Hund hat… und ihn auch vermittelt bekommt. Nach 3 Wochen steht der Hund wieder auf der HP des Vereins XY: „… sucht leider aus berufsbedingten Gründen wieder ein neues Zuhause.“ Bedarf es hellseherischer Fähigkeiten, um in Erwägung zu ziehen, dass man – gerade arbeitslos – genauso gut gerade wieder Arbeit bekommen kann…?

Der Hund, zugehörig einer Jagdhundrasse, wieder abgegeben wird, weil er die Kaninchen der Familie jagt. Nun wird vom Verein eine Familie „ohne Kleintiere“ gesucht. Wieso wird die Familie – spätestens bei der Vorkontrolle – nicht auf ihre Kenntnisse und Erfahrungen hinsichtlich der Kontrolle eines Jagdtriebes überprüft? Wieso „glaubt“ man mündlichen Versicherungen, das „schon zu schaffen“, anstatt sich als Vorkontrolleur durch genaues, gezieltes Hinterfragen über das „wie denn…?“ ein besseres Bild über die Kenntnisse der Halter zu machen?

Ein sehr agiler, junger, arbeitstriebiger Hund an ein älteres Ehepaar vermittelt wird, das lt. Vorkontrolle einen „wunderbaren, großen, eingezäunten Garten“ besitzt, in dem der Hund nach „Herzenslust“ toben kann. Der Hund wurde nach weniger als 4 Wochen zurückgegeben, weil die Halter auf den Spaziergängen total mit dem Hund überfordert waren und im Garten – nunmehr einzige Betätigungsquelle des Hundes – im Alleingang, alles verbellt und gejagt wurde (einschließlich Passanten und Nachbarn). Nicht „vorhersehbar“….?

Der Vermittlungshund des Tierschutzvereines XY zum dritten Mal innerhalb der Pflegestellen umgesetzt wird, weil niemand Erfahrung mit einem „Schutz- bzw. Territorialtrieb“ und seinen Auswirkungen (wenn unkontrolliert) hat. Da es wieder einmal DRINGENDST ist, wird die erstbeste Pflegestelle, die sich meldet, mit offenen Armen empfangen… und bekommt den Hund als Pflegestelle Nr. 4. Kritische Überprüfung, ob nun wenigstens DIESE Pflegestelle die notwendige Erfahrung mitbringt… unerwünscht und auch nicht möglich, wenn man als Verein derart mit dem Rücken zur Wand steht.

Ein Welpe als „Spielkamerad“ zu einer 10-jährigen, an HD-leidenden Hündin vermittelt wird und man „überrascht“ ist, dass die alte Hündin sich nicht mit dem aufdringlichen Welpen („der will doch nur spielen…“) versteht und ihn regelmäßig wegbeisst. Halter unerfahren – Vermittler/Vorkontrolleur ebenso!

Diese Liste der „typischen“ Ursachen, warum Vermittlungen aufgrund von Laxheit, Unerfahrenheit oder oftmals auch aufgrund mangelnder Sorgfaltspflicht der Tierschutzparteien selbst scheitern, wäre ellenlang… und sie wächst jeden Tag.

Die „zweckdienliche“ Vorkontrolle bedeutet Arbeit & Ahnung – nicht nur „lecker Kaffee trinken“…

Gute (sprich: aussagefähige) Vorkontrollen haben mittlerweile Seltenheitswert. Aber es gibt sie, Gott sei Dank. Viele Tierschutzvereine haben sich fachlich und organisatorisch bewusst so aufgestellt, dass sie alle Möglichkeiten haben, diese mit Sinn und Verstand durchzuführen, ggf. eine Vermittlung abzulehnen oder vor Ort persönliche Hilfe zu gewährleisten, falls ein Halter zwar geeignet ist, aber ggf. Hilfestellung am Anfang benötigt. Solche Vereine prüfen nicht nur die harten Fakten, sondern insbesondere auch die „weichen“ Fakten, also Erkenntnisse, die nicht objektiv quantifizierbare Merkmale enthalten, die aber einen großen Einfluss auf eine erfolgreiche Vermittlung haben. Harte Fakten lassen sich problemlos überprüfen: Wohnung oder Haus, wie groß ist der Garten, wie viele Personen leben im Haus, wie viele andere Tiere? etc…

Es sind die weichen Fakten, jene Dinge, die sich nicht in „Maßeinheiten“ beurteilen lassen, die eine sachkundige Vorkontrolle von einem Pseudo-Alibi-Besuch unterscheiden. Wie beurteilt man z.B. Hundeerfahrung? Wie lässt sich die Selbsteinschätzung eines Interessenten („ich hatte schon immer Hunde“) mit ggf. dem abgleichen, was man vor Ort zwischen Interessent und vorhandenem Hund sieht? Wie kann man dies beurteilen, wenn es noch keinen (Erst-)Hund vor Ort gibt oder der vorhandene Hund ein ganz anderer „Typ“ Hund ist als der zweite, um den man sich gerade bewirbt? Wie prüft man „Verantwortungsbewusstsein“ bei einem Menschen und was genau meint der Interessent, wenn er sagt, dass er bei Problemen mit dem Hund selbstverständlich bereit sei, in die Hundeschule zu gehen? Was hat die Aussage „wir würden NIE einen Hund abgeben“ für einen Wert?

Weiche Fakten sind immer aussagefähiger als harte Fakten; sie entscheiden über den Grundsatz, ob man jemandem „zutraut“, für den Hund X oder Y der oder die Richtige zu sein. Dies bedeutet, die Kombination und den Bezug von mehreren Elementen unter- und zueinander abzuwägen und zu berücksichtigen: einschlägige Erfahrung, Verantwortung, Geduld, Mitgefühl, Konsequenz, Sensibilität… Und hier zeigt sich dann auch gleich das nächste Problem: viele, die über Vermittlungen entscheiden bzw. zum Entscheidungsprozess beitragen, z.B. auch durch Vorkontrollen, sind unerfahren in dieser Hinsicht. Sie besitzen wenig bis keine Menschenkenntnis, können nicht „zwischen den Zeilen“ lesen und besitzen keinerlei Sensibilität oder kognitive Fähigkeiten, wenn es um die Einschätzung von Worten, Taten und Körpersprache ihres menschlichen Gegenübers geht. Sie sehen, was sie sehen wollen/können und fällen ihr Urteil. Oftmals reicht dennoch selbst dieses Maß an „Erfahrung“, um eine richtige Entscheidung zu treffen – nämlich immer dann, wenn der Hund die vorherige Pauschaleinschätzung („anspruchslos“) in der Tat erfüllt, quasi ein „Selbstläufer“ in jeder Hinsicht ist und die Halter vor keine nennenswerten Problematiken stellt.

Erkenntnisse einer sachkundigen Vorkontrolle beziehen sich nicht nur auf den präsenten IST-Zustand des z.B. vorhandenen Hundes, sondern auch auf eine verlässliche Prognose, wie wohl dieser „Typ Hund“ mit einem weiteren harmonieren würde. Neben den optimalen oder ggf. weniger optimalen Bedingungen einer Zweit-/Dritt-/Mehrhundehaltung gilt es herauszufinden, welches Maß an „Mehrverantwortung“ (für den Fall, dass es weniger harmonisch zugeht) damit vom Halter abverlangt wird. Mehrverantwortung, die eben nicht darin resultiert, dass man den Hund wieder abgibt („die mögen sich nicht wirklich – mein Hund will mich wohl doch ganz für mich alleine haben“), sondern Verantwortung im Sinne von Dazulernen (können und wollen!) um den Hunden ein konfliktfreies Miteinander zu ermöglichen.

Prognosen auch in Bezug auf die Beurteilung des jeweiligen Halters in spe: ist er bereits jetzt schon mit der „normalen“ Erziehung eines (seines) vorhandenen Hundes überfordert („der zieht immer so an der Leine und bellt gerne jeden fremden Hund an, und alleine bleiben kann er auch noch nicht – er ist ja erst 2 Jahre alt…“), dann sind dies keine befürwortenden Argumente, sich JETZT einen weiteren Hund dazu zu holen.

Es gibt NIE eine Garantie, dass ein Hund für immer – glücklich und zufrieden – bei seinem Halter bis an das Lebensende leben kann. Auch versierte Vereine/Vermittler/Vorkontrolleure sind keine Hellseher, aber vieles würde nicht passieren, wenn man eine Vermittlungseinschätzung von mehr Anspruch auf Qualität abhängig machen würde, als nur auf den netten Eindruck und die glaubhaften und auch meistens ernst gemeinten Beteuerungen der Interessenten zu vertrauen. Meldungen wie unter Animal Health Online zusammengetragen, sind nur ein BRUCHTEIL der Auswirkungen: Beißvorfälle, Hunde, die einschläfert werden, weil die Halter mit ihrer Aufsichts- und Sorgfaltspflicht überfordert waren; misshandelte und verwahrloste Tiere, weil die Zustände vor einer Vermittlung nicht geprüft wurden; Hunde, die Besitzer mittels eines qualvollen Tods entsorgen, weil irgendwo am Anfang einmal eine vorschnelle Vermittlung stand als Auftakt zum Wanderpokal… niemand hat es gewollt – aber auch niemand fühlt sich verantwortlich dafür.

Tierschutz bedeutet Verantwortung; Tierliebe auch…

Ein seriöser Tierschutzverein agiert ähnlich wie ein seriöses Unternehmen auf Mitarbeitersuche: es kennt die Anforderungen bis ins Detail, die an die Position XY gestellt werden und sucht aus den eingehenden Bewerbungen diejenige heraus, die die Anforderungen optimal erfüllt. Hier reicht es auch nicht, wenn der Bewerber versichert, er „könne den Job schon“ und habe schon immer „ähnliche Aufgaben“ erfüllt. Wenn das Unternehmen explizit nachfragt und nachprüft, ist es nicht „besserwisserisch“ oder „bevormundet“ den Bewerber, sondern stellt sicher, dass hier zusammenfindet, was auch zukünftig erfolgreich zusammen gehören soll … und zwar in dem Maße, dass ALLE Beteiligten zufrieden sind. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Beurteilung der Bewerber kann man nicht „jedermann“ anvertrauen, nur weil er/sie sich dafür anbietet und ins Spiel bringt. Wer beurteilen will, ob der Bewerber für die Stelle X auch wirklich geeignet ist, muss selber diese Aufgaben genauestens kennen oder jemanden zu Hilfe holen, der dies tut.

Hundehaltung hat sehr viel mit Respekt und Verantwortung zu tun: dem eigenen Hund gegenüber, dass er artgerecht aber auch abgesichert leben kann und darf; der Umwelt gegenüber, dass sie nicht belästigt oder geängstigt wird durch den eigenen Hund („der tut nix und es ist doch nicht so schlimm, wenn er an Ihrem Kind hochspringt…“) und auch allen ggf. weiteren vorhandenen Hunden im eigenen Hausstand gegenüber, denn der Abgabegrund der „Unverträglichkeit“ gegenüber vorhandenen Artgenossen nimmt ständig an Bedeutung zu.

Die Beurteilung des IST-Zustandes und daraus gewonnene Erkenntnisse als Basis für eine rationale Prognose, wie sich dieser Zustand unter veränderten Bedingungen weiter entwickelt (Zweithund zieht ins Haus oder erstmalig ein unsicherer, ängstlicher Hund…), das ist ebenfalls die Aufgabe einer Vorkontrolle, die ihren Namen zu Recht trägt. Alles andere ist Augenwischerei mit reiner Alibifunktion: Vorkontrolle durchgeführt – Erkenntnisse? Null! Aber, das wird schon gut gehen, gelle?! Naiver Optimismus contra vernunftsorientierter Realität – leider alles andere als eine Seltenheit im heutigen Tierschutz. Was das Risiko von Fehlentscheidungen nicht gerade vermindert…

Aus nachvollziehbaren Gründen werden die wirklichen Umstände und Ursachen von Fehlvermittlungen nicht veröffentlicht – jeder Verein oder betroffene Halter ist um Stillschweigen bemüht und wie groß und schnell wachsend die Zahl der Rückläufer wirklich ist, weiß man nur, wenn man „im Thema“ ist oder aus anderen Gründen regelmäßig mit Betroffenen zu tun hat. Die Fakten sind erschreckend… und die meisten Halter können einen seriösen von einem unseriösen Tierschutzverein erst dann unterscheiden, wenn sie selbst betroffen sind.

Tierschutzarbeit ist wichtig, in all ihren Facetten. Aber nur helfen wollen, reicht nicht. Es gibt Aufgabenbereiche, die erfordern entsprechende Erfahrungen und nicht nur Goodwill und Tierliebe. Die These „das ist das Beste, was wir leisten können unter den Umständen XY“ verdient heutzutage keine Absolution mehr. Manche Dinge tut man besser gar nicht, als nur „irgendwie“… Wenn man mit einer bestimmten Aufgabe, auch wenn sie „nur“ ein Ehrenamt darstellt, eine weitreichende Verantwortung für Tier & Mensch übernimmt, muss man dieser auch gerecht werden.

Es bleibt zu hoffen, dass durch die seit einiger Zeit an Intensität zunehmende Berichterstattung in den Medien und in der Presse die schwarzen Schafe zunehmend – auch namentlich – genannt werden, um weiteres Unheil zu verhindern.

  • Um Hundehaltern eine bessere Informationsbasis und objektivere Auswahlmöglichkeit zu bieten, BEVOR sie an den falschen Tierschutzverein geraten…
  • Um nicht alle Tierschutzvereine, kommunal wie privat, im In- oder Ausland tätig, über einen Kamm zu scheren und unter Generalverdacht zu stellen, sondern die Arbeit der seriösen Tierschützer auch als solche erkennbar zu machen für die breite Masse…
  • Um die Zahl der Rückläufer aufgrund sachkundiger Vorkontrollen zu minimieren, damit die tagtäglichen dringenden Hilferufe im Anschluss an eine Schnellvermittlung der Marke „passt schon…“ in den nächsten Jahren (wieder) weniger werden.

Vorkontrollen – mehr Schein als Sein…?

Seien wir ehrlich und realistisch: schwarze Schafe – auch im Tierschutz – gab es schon immer und wird es immer geben. Ebenso wie graue, die glauben, sie seien rein weiß und gar nicht erkennen, dass sie ihrer Verantwortung gegenüber ihren Vermittlungshunden und Interessenten uneinholbar hinterher hinken. Aber es gibt viele gute, seriöse Tierschutzvereine, die sich durch Professionalität und Fachkenntnisse abgrenzen vom Durchschnitts-Tierschutz-Allerlei. Die sehr erfahrene, verantwortungsbewusste Vermittler haben; die ihre Pflegestellen schulen, die ihre Vermittlungshunde in- und auswendig kennen; die sich Zeit nehmen, die Stärken und Schwächen der Interessenten auf eine „nette Art“ auf Herz und Nieren zu prüfen, damit niemand später eine unerwartete Überraschung erlebt. DAS ist für mich persönlich Tierschutz, in dem sich auch der Begriff der Tierliebe widerspiegelt.

Wir können nicht alle Hunde dieser Welt retten, obwohl wir das alle nur allzu gerne tun würden. Aber wir dürfen auch nicht das Wohl des einzelnen Hundes der Masse an Hunden im (N)Irgendwo opfern. Die Abstriche in einer Vermittlung von so manchen Tierschutzvereinen, die sich mit der Anzahl ihrer Vermittlungshunde selbst hoffnungslos überfordern… Abstriche, die so gerne mit der Aussage „Immer noch besser als…“ gemacht werden, sind sehr gefährlich und die Folgen dieser Kurzsicht in all ihren Ausprägungen lesen wir jeden Tag in der Zeitung, im Internet, im Fernsehen. Sie werfen ein schlechtes Licht nicht nur zunächst pauschal auf den Tierschutz im allgemeinen; sondern auch auf die betroffenen, aber „unverschuldeten“ Hunde: waren es früher die „super sozial verträglichen kleinen Hunde aus dem Süden“, die jeder wollte (aber in den ortsansässigen Tierheimen irgendwie nicht fand…), sind es heute immer öfter lt. pauschaler, undifferenzierter Presse die „Südländer, die Krankheiten und Seuchen einschleppen“ und sich schlecht oder gar nicht in den Trubel des hiesigen Alltags einfinden können. Die Stimmung schlägt um, nicht erst seit gestern, und die „Schuld“ daran trifft all jene, die unbedarft und von falsch verstandener Tierliebe beseelt JEDEN Hund in JEDERMANNs Hände vermitteln, solange diese nur einen netten Eindruck machen und… zahlen.

Es bleibt hierbei nicht nur die fachkundige Einschätzung des Hundes und der Interessenten gleichermaßen auf der Strecke, sondern darüber hinaus und viel zu oft auch noch die Gewährleistung für den geimpften, „gesunden Hund“.

Wo das zukünftig hinführen wird… darüber mag sich jeder seine eigenen Gedanken machen.

(Quelle: Hundehilfe Eifel)



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